Auto-Engel

05.Juli 1897 - 15.November 1966

Wilhelm Engel war ein cleverer Geschäftsmann. Nachdem er sich als 23-Jähriger sein erstes Auto, ein Dixi. gekauft hatte und alle im Ort von dem jungen Mann gefahren werden wollten, gründete er daraufhin ein Taxiunternehmen. Das Geschäft lief gut und so erhöhte er mit der Zeit seinen Fuhrpark auf drei Fahrzeuge.
Dabei bekam er aber immer mehr Probleme, seine Fahrzeuge mit dem nötigen Kraftstoff zu versorgen.

Er kaufte sich daraufhin eine Benzin Fasspumpe und stellte diese an seinem Stützpunkt in der Liederbacher Straße 54 (früher Hauptstraße 16) auf. Da nach und nach immer mehr Fahrzeuge bei Ihm tankten und der Andrang immer weiter zunahm, verlegte er die Tanksäule am 15. Juli 1925 an die Sodener Chaussee, ungefähr an der Stelle, wo sich heute die Unterliederbacher Abfahrt der A66 befindet. Vor dem zweiten Weltkrieg trug die A66 übrigens den Straßennamen „Elisabethenstraße“.
Da der Verkehr mit der Zeit zunahm, wurde die Fahrbahn zwischen Zeilsheim und Sossenheim ausgebaut. An der Kreuzung Elisabethenstraße / Sodener Chaussee wurde ein Kreisverkehr eingerichtet. Wilhelm Engel baute seine Tankstelle nun innerhalb des Kreises auf. Zunächst bestand der Straßenbelag aus Kopfsteinpflaster, da sich dies aber als zu unfallträchtig erwies, wurden Autobahnplatten mit Teer fugen verlegt. Der Innen-Durchmesser des Kreises betrug 40 m.

1935 wurde die alte Blechhalle abgerissen und an gleicher Stelle ein modernes Gebäude errichtet. Es gab einen großen Keller, er diente der Lagerung der gängigsten Auto Ölen, ein Kassenraum, ein Büro mit Vorraum sowie ein Warteraum für Kunden. Die vorhandenen Toiletten waren zur damaligen Zeit vorbildlich. Im Obergeschoss befand sich neben dem gemeinschaftlichen Essraum eine Wohnung mit kombiniertem Büro.

Das mächtige Schutzdach der Tankstelle erstreckte sich nach allen vier Seiten, der Architekt war Martin Simon aus Hofheim im Taunus.

Freundlichkeit und Service waren beim „Auto-Engel“ großgeschrieben. So erhielt jede Dame in einem Wagen eine Rose aus dem 1936 angelegten Garten. Die Tankwarte trugen alle Overalls und waren mit einer Kennnummer versehen, Lob und etwaiger Tadel der Kundschaft konnten so gerechter verteilt werden.

1939 wurde Wilhelm Engel eingezogen. Er nahm am Frankreich-Feldzug teil, war in Polen, Russland, Norwegen und Italien. Dass er nicht der Vorzeigesoldat der Partei war, lassen Schriftstücke erahnen. Am 20. November 1944 wurde er aufgrund einer Zuckerkrankheit vorzeitig aus dem Dienst entlassen.

Er baute nach dem Krieg gute Beziehungen zu den Amerikanern auf und erhielt bereits 1945/1946 die Genehmigung zur Wiedereröffnung seiner Tankstelle. Verschiedentlich wurde er von den Amerikanern auch in der kommunalen Politik eingesetzt.

Mit zunehmendem Verkehr baute Wilhelm Engel seine Tankstelle immer weiter aus, er kaufte dazu Land in der Sulzbacher und Unterliederbacher Gemarkung. Für die Fernlastzüge standen bald Parkflächen zur Verfügung, für die Fahrer Duschen und Waschgelegenheiten. Es entstand ein Rasthaus, woran ein Schlachthaus angegliedert wurde. Nachdem auch ein Nebengebäude mit Abschmierstationen und Reparaturhalle entstanden waren, sprach man von einer Großtankstelle und in Presse, Radio und Fernsehen wurde von der „Größten Tankstelle im Bundesgebiet“ gesprochen. In einer Urkunde wurde dieses amtlich bestätigt.

Der Autoverkehr nahm immer weiter zu und wurde mit der Zeit so stark, dass die Stadt Frankfurt die Elisabethenstraße zu einer Autobahn ausbauen wollte. Die Tankstelle war da im Weg. Es folgte ein langer Rechtsstreit zwischen der Stadt Frankfurt und Wilhelm Engel, der die Tankstelle nicht abgeben wollte. 1954 gab Wilhelm Engel zermürbt auf, gab die Geschäftsführung an seinen Schwiegersohn Willy Höhn ab und zog sich 1956 komplett aus dem Geschäft zurück.

1959/1960 wurde die Tankstelle zwangsenteignet und man begann sofort mit dem Abriss.

Wilhelm Engel starb 69-jährig am 15. November 1966 in Bad Nauheim, seine Ehefrau Hildegard verstarb mit 89 Jahren 1994 in einem Seniorenstift. Das einzige Kind, die Tochter Hannelore, verstarb kinderlos am 26.03.2011. Sein Schwiegersohn Willy Höhn, der zuletzt die Geschäfte führte, verstarb 1998.

Der Heimat- und Geschichtsverein Unterliederbach hat unter dem Titel „Der Auto-Engel“ 2015 ein Heft über Wilhelm Engel und seine Tankstelle herausgebracht. Hier finden Sie weiteres Interessantes über die Geschichte und das Leben vom „Auto-Engel“.